Carsten Muck beim FotografierenDies ist ein Gastartikel von Carsten Muck. Carsten Muck bezeichnet sich selbst gerne als ambitionierten Hobbyfotografen in den Mittdreißigern mit einem latenten Hang zur Übertreibung. Sein fotografischer Schwerpunkt liegt in Porträts, nebenbei Landschaften und Architektur. Ebenfalls begleitet er fotografisch Hochzeiten oder andere Feierlichkeiten. Seine Arbeiten veröffentlicht er hauptsächlich auf seinem Blog www.cmphotography.de.


Da stand nun die alte Dame vor mir. Geschützt durch eine Bereitschaftstasche aus echtem Leder. Die fast 50 Jahre, die sie nun schon auf dem Buckel hat, sind ihr nicht anzusehen. Sie sieht so gar nicht nach einer Kamera aus dachte ich, aber als ich das erste Mal die Welt durch die 6×6cm große Mattscheibe sah wusste ich, was viele an der Rolleiflex so lieben.


Rolleiflex

 

Und nun?

Nun hatte ich mich also auf eine sehr entschleunigte Art der Fotografie eingelassen. Rollfilm, Mittelformat, Spiegelverkehrte Mattscheibe, Parallaxen im Nahbereich, Negativentwicklung waren einige der Schlagworte mit denen ich mich in den letzten Wochen auseinandergesetzt habe.

Die analoge, mittelformatige Welt ist so ganz anders als ich sie vom digitalen Kleinbild meiner 400D kenne und genau das macht den Reiz an der Rolleiflex aus.


Familienerbstück

Die 2,8F Seriennummer 2.447.638 die jahrelang im Dunkeln des Wohnzimmerschrankes meiner Eltern ihr Dasein fristete ist ein Erbstück (Achtung Familienbande) des Onkels meines Vaters, seinerzeit Reporter für den “Volksfreund“ in Trier. Ein Jahr vor seinem Tod hat er sein Wissen über die Kamera stolz an meinen Vater weitergegeben.


Rollfilm


Filme


Vor dem ersten Foto muss nun mal der Film eingelegt werden. Eine Speicherkarte in eine DSLR einlegen kann jedes Kind, ich habe sogar als Kind noch gelernt analoge Kleinbildfile in meine Kameras einzulegen: Auspacken, Kamera auf, rein quetschen, ein Stück herausziehen, Kamera zuklappen *suuuuurrrrr* fertig- nicht aber bei der Rollei. Das Procedere zum Filmeinlegen habe ich drei Mal erfolglos geübt und jedes Mal die 12 Aufnahmen, oder besser die knapp 1 Meter Film durchgedreht.

Das Filmeinlegen ist also etwas komplexer:
Alte Rolle von unten nach oben setzen, Rollfilm auspacken und unten einlegen, durch die Umlenkmechanik stecken, nach oben hochziehen, in die Rolle einfädeln, eine halbe Kurbelumdrehung zum spannen, Deckel schließen, und solange an der Kurbel drehen bis die 1 angezeigt wird. Es soll damals Leute gegeben haben die das innerhalb von Sekunden hinbekommen haben.


Das erste Foto

Die Kamera ist jetzt quasi Aufnahmebereit, der digital verwöhnte Fotograf aber eher nicht. Zeitautomatik? Blendenautomatik? ISO- Automatik? Focusautomatik?
Lassen wir mal überall die Automatik weg und beschäftigen uns damit wie ein komplett analoges Foto entsteht.

Ich gehe also raus und suche mir ein Motiv.

 

Landschaft

 

Blick durch eine Rolleiflex

 

Die ISO ist durch den Film vorgegeben und über ein Rädchen an der Kamera eingestellt. Ich nutze im Moment Ilford HP5 400, Ilford Delta 100und Kodak T- Max 400.

Ich wähle als Erstes die Blende: f/2,8, klar Offenblende was sonst? Wenn die Nasa mit genau diesem Carl Zeiss Planar 80 f/2,8 der Rollei schon 1962 zum Mond geflogen ist, dann muss man dieses Objektiv mit Weltruhm einfach bei Offenblende nutzen.

 

Rolleiflex

 

Der Blick fällt auf den eingebauten Belichtungsmesser der Kamera. Ich drehe an der Verschlusszeit, bei 1/500s ist Ende, für eine fast 50 Jahre alte Technik schon erstaunlich. Da es einfach zu sonnig ist, muss ich die Blende auf f8 schließen. Ein Film mit ISO 400 ist für Außenaufnahmen bei Sonne vielleicht nicht die richtige Wahl gewesen. Schlussendlich finde ich f16 bei 1/125 für angemessen.

 

Belichtungsmesser

 

Die Belichtungsmessung erfolgt auch nicht wie bei heutigen Kameras per TTL, sondern über Selenzellen als Messelemente oberhalb der Objektive mit einem integrierten Nachführmechanismus, der ISO, Blende und Zeit zusammenfasst. Seinerzeit ein mechanisches Wunderwerk, das Arbeitsprinzip entspricht dem der damaligen Top-  Belichtungsmesser. Das ganze ohne jede Verstärkerelektronik, gebaut aus reiner Elektromechanik.

 

Rolleiflex

 

Ich begebe mich nun in Aufnahmeposition, schaue von oben auf die Mattscheibe und beginne den Ausschnitt zu korrigieren. Das Bild was ich auf der Mattscheibe sehe ist spiegelverkehrt, dadurch sind alle Bewegungen die ich mache völlig falsch. Wenn man sich aber ausschließlich auf den Sucher konzentriert statt immer wieder zum Motiv aufzuschauen gewöhnt man sich schnell daran.

Zum Scharfstellen über den Schnittbildindikator klappe ich kurz die eingebaute Lupe aus. Jetzt noch ein Blick auf den Belichtungsmesser– passt.

Mit Gänsehaut drücke ich zum ersten Mal den Auslöser:

– nichts –

ich hab vergessen die Blende zu spannen. Einmal kurz die Kurbel zurückgedreht, eingerastet und fertig.
Und wieder von vorne. Zeit, Blende, Ausschnitt, Schärfe, Belichtung:

- KLICK -

Ein sanftes Klicken, kaum wahrnehmbar öffnet und schließt der Synchro- Compur MXV Verschluss mit seinem doppelten Blendlamellensatz aus je 5 Blendlamellen, das Foto ist sprichwörtlich im Kasten.

Diese Ruhe und Sorgfalt mit der man bei der Rolleiflex arbeiten muss hat mich vollends in ihren Bann gezogen. Es ist eben nicht die hektische und schnelle Art wie ich mit meiner digitalen Canon die Speicherkarte vollknüppel. Man überlegt sich ganz genau mit welchen Motiven man die 12 Bilder des Filmes füllen will.

Die ersten Fotos habe ich im Labor entwickeln, scannen und danach auf CD brennen lassen. Pro Film kommen so mal schnell 25 Euro für die Entwicklung zusammen, ein nicht ganz billiges Unterfangen. Der nächste Schritt wird dann die Negativentwicklung in der eigenen Dunkelkammer werden, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

 

Restlos begeistert bin ich alleine schon von der Körnung der analogen Filme. Es ist einfach ein Teil der analogen Fotografie, den ich wirklich lieben gelernt habe.

 

Landschaft

 

Landschaft

 

Auch auf meine Israelreise hat mich die Rolleiflex begleitet. Von Haifa und den Golan Höhen über Jerusalem und das Tote Meer durch die weiten der Wüste und die engen Gassen von Tel Aviv. Meine digitale Spiegelreflex hat dabei die meiste Zeit in der Fototasche verbracht, vielleicht auch weil man sich einfach viel mehr Zeit für die analogen Fotos nimmt, vielleicht aber auch weil ich mein Auge entweder Motive für das schwarz-weiße Mittelformat oder für das digitale Kleinbild sucht, aber nicht für beides gleichzeitig.

15 Kommentare

SvenNo Gravatar

Beim schlendern durch die Fotogeschäfte, auf der Suche nach einer neuen digitalen, stand im Schaufenster eine Alte Rolleiflex als gebrauchte zum Verkauf.

Bei diesem Artikel wird einem ganz warm ums Herz – Ganz egal ob man damit heute noch fotografieren “will”- Leica, Rolleiflex, Voigtländer- irgendwie sind das Werte die einen in längst vergessene Zeiten zurückversetzen.

Vielleicht gehe ich doch noch mal zurück und sichere mir das Stück- ein schöner Platz lässt sich dafür immer finden.

TeatimeNo Gravatar

Klasse. Da gerät man so richtig ins Schwärmen. Ich hoffe, dass ich demnächst mal die Zeit finde, meine Rollei 35 wieder zu benutzen.

Klein- Wiele, FrankNo Gravatar

Wunderbar geschrieben- ich konnte richtig miterleben und mitfiebern, wie der Carsten sein ersten Erfahrungen mit der Rollei gemacht hat.
Und die Bilder? GENIAL- man fühlt sich beim Anblick beinahe in ein anderes Jahrhundert, in längst vergangene Zeiten zurückversetzt.

CarstenNo Gravatar

Vielen Dank schon mal für die Kommentare.

Es macht wirklich einen Heidenspaß, mit der Kamera zu fotografieren. Das Ganze ist wirklich Zeitintensiv, daher komme ich nicht oft dazu mit der alten Dame Fotos zu machen.

Ich bin mal gespannt wie die Fotos aus Jerusalem (Klagemauer) und vom toten Meer geworden sind. Aber dafür muss ich erstmal den Film voll “knipsen”.

Gruß
Carsten

FrankNo Gravatar

Interessanter Artikel, schöne spannende Schreibweise, vielen Dank dafür! Ich hab ihn mit Genuss gelesen. Wink

AndreasNo Gravatar

Ja, so eine zweiäugige Rollei ist schon was Feines. Wollte ich immer haben. Vor allem das 1:1 Bildverhältnis hat mich daran fasziniert. Es ist dann eine RZ67 geworden für die ich nach langem Suchen auch ein 6×6 Rückteil bekommen habe. Bei allen Vorzügen der digitalen Fotografie, analog mit der RZ unterwegs zu sein ist ein ganz anderes fotografieren.

Maylin WiedNo Gravatar

Auf die guten alten Zeiten Smile. Analoge Fotografie ist schon was echt Schönes!

PeterNo Gravatar

Schönes Thema, ich besitze eine Rolleiflex 1B also die rolleicord und bin mehr als nur zufrieden, werd das Teil jetzt mit einer Blitzanlage koppeln um eben noch mehr aus der Kamera rauszuholen. Welche Auflageplatte hast du beim Stativ verwendet- denn das Rolleigewinde ist ja eine Spur größer als das anderer Kameras?

laurenzNo Gravatar

Ein schöner Artikel.

Als wichtigen Hinweis finde ich noch folgendes:
Gescannte Negative oder Kontaktabzüge sind wie ein unbearbeitetes JPG aus der DSLR. Der Reiz der Analogfotografie kommt erst beim Ausbelichten zum tragen.

http://blog.reinitzer.ch/2009/09/drei-bildpaare/
oder ein Vergleich:
http://blog.reinitzer.ch/2009/04/rolfe-horn/

LG Laurenz

DasMaddinNo Gravatar

Lustig. Die Geschichten sind quasi parallel. Auch ich habe mir neulich eine analoge Mittelformatkamera gekauft. Allerdings eine Lomo Lubitel 166B. Der erste 400ASA s/w Film ist nun (nach längerem Fummeln) eingelegt, den Belichtungsmesser musste ich noch kaufen und verstehen. Nun wird es vermutlich wie zum Beginn der DSLR sein. Die Motive sind schlecht, aber irgendwas muss man ja fotografieren, um das richtige Gefühl für die Kamera zu entwickeln..

Aber mal eben schnell schnell ist halt nicht drin. Ist schon echt anders.

Viel Spaß!
M.

NicolaiNo Gravatar

Toller Artikel und tolle Fotos! Ich habe mir auch kürzlich eine analoge Mittelformatkamera, die Mamiya RB 67, gekauft. Das ist schon ein Erlebnis. Ich glaube, ich fotografiere damit bewusster, weil eben jeder Klick genau ein Foto ergibt. Sonst habe ich digital immer 100 Fotos gemacht und mir das Beste rausgesucht Smile.

Gustav PurscheNo Gravatar

Dieses Gefühl kann ich sehr gut nachvollziehen.

Thomas WidmerNo Gravatar

Ich fotografiere nunmehr seit 3 Jahren wieder im analogen Mittelformat und kann deine Erfahrungen nur bestätigen. Ich kann mich gut an meinen ersten Film erinnern. Hatte ganz ähnliche Gefühle dabei.

Der Artikel passt gut zum heutigen Tag des analogen Films:

http://www.fotointern.ch/archiv/2009/09/30/morgen-ist-der-internationale-%C2%ABfilm-buying-day%C2%BB/

Thomas

MarkNo Gravatar

Klasse Artikel Casten!! Viel Spaß weiterhin mit der wunderbarsten Art zu fotografieren!

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